Upcycling ist Trend, hört sich gut an, macht viel Spaß, verbindet Menschen und schont Ressourcen. Aber nicht überall, wo „Upcycling“ draufsteht, ist auch wirklich „Upcycling“ drin.
Ich versuche, mit meinen Projekten möglichst nah an die Grundsätze von Upcycling heranzukommen. Manchmal aber überwiegt die Freude an der genialen Idee, dem tollen Ergebnis und den bewundernden Ohs und Ahs und auch ich verhalte mich dann nicht ganz sortenrein.
Hier mein Versuch zur Begriffsklärung und Bewusstseinserweiterung (nach dem Motto: Nur wer die Regeln kennt, kann absichtlich dagegen verstoßen):
Recycling von Wertstoffen ist aus Deutschland glücklicherweise nicht mehr wegzudenken. Wir alle tragen dazu bei, dass die in unseren Abfällen enthaltenen Rohstoffe mittels Mülltrennung, Gelbem Sack, Blauer Tonne, Flaschen- und Dosenpfand etc. direkt oder aufbereitet dem Wirtschaftskreislauf erneut zugeführt werden können. Recycling gelingt umso besser, je sortenreiner das Material gesammelt und aussortiert werden kann – so z.B. bei Metallen, Glas oder Papier. Kunststoffe sind leider noch immer sehr schwer zu recyceln – sie landen meist in der Müllverbrennung (die hierzulande aber wenigstens noch zur Energieerzeugung genutzt wird).
In kreativen Kreisen aber ist neuerdings das Upcycling in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Im Unterschied zum Recycling werden die verwendeten Materialien beim Upcycling aufgewertet – die daraus hervorgehenden neuen Produkte oder Objekte helfen dabei, Rohstoffe an anderer Stelle zu sparen und die Neuproduktion eines Objekts überflüssig zu machen. Upcycling liefert besonders dann einen Beitrag zur Ressourcenschonung, wenn die eingesetzten Materialien gar nicht in den Recycling-Prozess eingespeist werden könnten – wie z.B. ein unansehnlich gewordenes Trinkglas, eine von der Badsanierung übrig gebliebene Kachel oder die viel zu vielen Produkte, die wir mal gekauft haben und uns nun aber nicht mehr gefallen.
Und dann wäre da noch das Downcycling. Damit bezeichnen wir einen Prozess, der das Ausgangsmaterial qualitativ verschlechtert – bis hin zu einem Zustand, in dem das Endprodukt nicht mehr recycelt werden kann sondern nur noch für die Müllverbrennung geeignet ist (und dann wenigstens noch einen kleinen Teil zur Energierückgewinnung leistet). Der Lampenschirm auf dem folgenden Foto ist dafür ein passendes Beispiel. Ich habe ihn trotzdem gemacht – weil ich erstens unbedingt einen Lampenschirm brauchte und zweitens neugierig war, wie das Ergebnis aus dem Verkleben von Papier und Gemüsenetz wohl aussehen würde. Drittens passt dieser Lampenschirm farblich perfekt und viertens muss ich nun keinen kaufen – ich spare damit also Ressourcen! Ohne es nachgerechnet zu haben, behaupte ich mal, dass die Ökobilanz meines selbstgemachten Lampenschirms besser ist als die eines gekauften.
Am Beispiel von Kleidungsstücken lassen sich die Unterschiede zwischen Re-, Up- und Downcycling gut nachvollziehen:
Recycling
Direktes Recycling: Die ausrangierten Kleidungsstücke werden z.B. in Secondhand-Läden oder auf Flohmärkten angeboten oder mittels Altkleidersammlung der direkten Weiterverwendung als Kleidungsstück zugeführt (sofern die Sammelstelle dieses garantiert). Diese Form von Textilrecycling ist die ressourcenschonendste.
Indirektes Recycling: Aus den gesammelten Textilien werden neue Fasern hergestellt, die wiederum zu Kleidungsstücken verarbeitet werden (bei dieser Technologie scheint z.B. Finnland die Nase vorn zu haben).
Upcycling
Das Kleidungsstück wird umgearbeitet, neu eingefärbt, veredelt, mit Bändern, Borten, Rüschen verziert oder sogar aufgetrennt und neu zusammengesetzt. Auch könnten wir z.B. aus T-Shirts mit Hilfe einer Schere dickes Garn herstellen und daraus dann vielleicht einen Badezimmerteppich häkeln. Es wird also aufgewertet und ersetzt in jedem Fall den Kauf eines neuen Stücks. Das aufgewertete Stück kann später recycelt oder nochmals mittels Upcycling in etwas Neues verwandelt werden.
Downcycling
Beim Downcycling enden die Kleidungsstücke z.B. als Putzlappen – entweder direkt bei uns im privaten Gebrauch oder in großem Stil durch geschredderte Textilien aus einer Altkleidersammlung. Diese Lappen sind in jedem Fall deutlich minderwertiger als das Ausgangsstück und irgendwann nur noch als Futter für die Müllverbrennung geeignet.
Mein Weg, der Upcycling-Idee möglichst nahe zu kommen
Upcycling ist also ein hervorragender Weg, Ressourcen zu schonen – vorausgesetzt, es handelt sich um echtes Upcycling und die Objekte stehen nach Ablauf der Lebensdauer in der Entsorgungsfrage nicht schlechter da als die Ausgangsprodukte. Das aber ist genau der Haken, der vielen begeisterten Kreativen der Upcycling-Szene sicher nicht ganz bewusst ist. Wenn ich nämlich z.B. eine Glasflasche aus dem Verkehr ziehe, sie mit Beton ummantele, mit Acrylfarbe bemale und auf diese Weise eine stylische Vase erzeuge, können wir seriös nicht von Upcycling reden. Da kann die Vase noch so schön sein und ich damit den Kauf eines Geschenks für die beste Freundin sparen: Sollte dieses gute Stück einmal zu Bruch gehen oder einfach nicht mehr gefallen – was dann? Für den Altglascontainer unbrauchbar geworden, bleibt nur die Entsorgung über den Restmüll – und für die Müllverbrennungsanlage ist das dann schwer verdauliche Kost. Mache ich das aber mit einer ollen Vase vom Flohmarkt (die ja sonst irgendwann auch im Restmüll landen müsste), sieht die Sache schon wieder anders aus.
So wie bei meinem Deko-Vogel aus Glas, den ich auf dem Flohmarkt gefunden habe – und den ich mir niemals im ursprünglichen Design irgendwo hinstellen würde. Der hat nun trotzdem einen Platz in meinem Zuhause gefunden – nachdem ich ihn schlicht und einfach mit einer hauchdünnen, leicht transparenten Schicht aus der frühlingsgrünen obersten Lage einer allein übriggebliebenen Serviette überzogen habe. So findet der Vogel wieder Verwendung, ich spare mir und der Umwelt den Kauf eines passenden Deko-Objekts und wenn er mir nicht mehr gefällt, kann ich ihn einfach umdekorieren oder als Grundform für einen Vogel aus Papiermaché nutzen. Letztendlich wird er im Restmüll landen (aller Wahrscheinlichkeit nach aber nur über meine Leiche 😉 . Da wäre er aber auch vor dem Upcycling schon gelandet, wenn ihn niemand mehr hätte haben wollen.
Leitfrage: Schone ich wirklich Ressourcen?
In diesem Sinne gehe ich an meine Projekte heran. Ich versuche beim Verbinden von verschiedenen Materialien sicherzustellen, dass ich die Stoffe im Falle der Entsorgung leicht wieder trennen kann – damit sie wenigstens noch recycelt werden können. Oder aber – wenn das nicht geht oder ich mich aus Gründen dagegen entscheide – ich versuche, die Objekt so zu gestalten, dass sie erstens sehr langlebig sind und zweitens mühelos einfach umgestaltet werden können. Bei meinen Schmuckkreationen lasse ich mich z.B. von der Frage leiten: Ist es ressourcenschonender, wenn ich a) aus Kronkorken und – seit Ewigkeiten in meinem Fundus vor sich hin oxydierenden – Silberdraht einen Schmuckanhänger gestalte oder b) wenn ich mir ein neues Schmuckstück in vergleichbarer Größe kaufe? Meine Antwort lautete a). Zumal ich den Kronkorken auch wieder vom Silberdraht befreien und ihn ordnungsgemäß im Gelben Sack entsorgen könnte.
Heißklebepistole nein danke!
Allergisch bin ich gegen die offensichtlich sehr beliebte Heißklebepistole. Ich besitze keine und werde mir auch keine anschaffen. Wenn ich sehe, wie großzügig hier mit erheblichen Mengen an Kunststoff alles Mögliche und Unmögliche untrennbar miteinander verschwartet wird, dann wird mir ganz anders. Solche Objekte zählen meist eindeutig zur Kategorie „Downcycling“, sind auch kaum umdekorierbar und damit früher oder später nur noch ein Fall für die Müllverbrennung.
Ein Kommentar zu „Was heißt hier Upcycling?“