Viele meiner Kunstwerke entstehen mehr zufällig als absichtlich – und das liegt sicher daran, dass ich eigentlich ständig am Experimentieren bin. Neugierde ist meine treibende Kraft und ich probiere alles Mögliche und Unmögliche aus.
Dieses Bild ist dank mehrerer Zufälle entstanden.
Zufall Nr.1. Ich habe für meine Blüten-Ostereier eine Schachtel mit getrockneten Blütenblättern gesucht (und auch gefunden). Was ich dabei aber außerdem gefunden habe, war für mich überraschend – weil ich mich nämlich gar nicht mehr daran erinnern konnte: Ein Döschen mit selbst gemahlenen und getrockneten Rosenblättern. Dieses war vor mehr als fünf Jahren mit mir in den Harz gezogen und vergessen worden. Nun holte ich es aus der Versenkung – und experimentierte.
Malen mit Rosenblättern
Zufall Nr. 2. Statt das Osterei mit Blütenblättern zu verzieren, habe ich nun das Rosenpulver mit Vielzweckleim zu einer Paste verrührt und mit einem kleinen Spachtel (Eisstiel) aufgetragen. Weil auf diese Weise die Farbe aber nicht satt genug auf dem Ei landete, habe ich kurzerhand etwas Pulver auf ein Blatt Papier geschüttet und das feuchte klebrige Ei darin gewälzt. Der Effekt: An manchen Stellen blieb das Pulver recht dick kleben, an anderen Stellen nur sehr zart. Was mir sehr gut gefiel. Und zufällig (Zufall Nr. 3) hatte das Ei nach dem Lackieren und Trocknen exakt die gleiche Farbe wie die Grundfarbe in meinem Wohnzimmer. Damit war dann auch klar, wo es vorübergehend wohnen darf.
Zufall Nr. 4. Den Rest der angerührten Farbpaste verdünnte ich mit etwas Wasser. Ich schnappte mir ein Stück Papier von meinem Schmierpapierhaufen und pinselte einfach drauflos. Seltsam: Sobald die Farbe auf dem Papier war, verwandelte sich der Farbton in ein schönes Blau.
Durch das großzügige Hantieren mit dem Rosenpulver passten meine Hände nun übrigens farblich hervorragend zum Osterei. Also rief ich Wasser und Seife zu Hilfe. Die Farbe löste sich von den Fingern und lief – oh Wunder – als blaue(!) Brühe ins Waschbecken. Da erinnerte ich mich schlagartig an meine Experimente mit Naturfarben (die Jahre zurückliegen). Ich wusste, dass sich die Farben verändern – je nachdem, ob ich sie mit eher sauren oder eher alkalischen Materialien zusammenbrachte. Also muss das Papier wohl alkalisch (säurefrei) gewesen sein, denn auch Seife ist ja alkalisch.
Und dann holte ich die Flasche Essig aus dem Schrank.
Ich mischte etwas Rosenpulver mit Essig und bekam eine wunderbar weinrote Farbe. Weil ich nun aber nicht wusste, wohin damit, habe ich sie auf der blauen Farbe auf dem Schmierpapier verteilt. Das Papier habe ich dann erstmal zum Trocknen beiseite gelegt und anschließend die losen Rosenblattpartikel abgebürstet. Ich war sicher, dass ich irgendwann irgendwas mit dem Gemalten anfangen würde.
Frottage mit Efeu
Zufall Nr. 5. Nachdem ich das Rosenpulver wieder zurück in den Schrank gestellt und meine Arbeitsfläche gesäubert hatte, fiel mein Blick auf einen dicken Bücherstapel – und mir fiel ein, dass ich darunter ja vor einiger Zeit ein hübsches Efeublatt zum Trocknen und Pressen versteckt hatte. Ich war mir relativ sicher, dass es inzwischen „fertig“ sein müsste. Recht gehabt. Und ich war sehr angetan von der Schönheit des Blattes, insbesondere von den Blattadern, die sich leicht vom Blatt abhoben.
Und weil ich ja – wie gesagt – sehr neugierig bin, wollte ich sofort wissen, wie dieses Blatt wohl aussieht, wenn ich es mit Hilfe eines Buntstifts auf Papier durchreibe (diese Technik heißt übrigens „Frottage“). Gedacht, getan: Ich legte ein Blatt Schmierpapier darüber, nahm einen grünen Buntstift, setzte ihn in einem sehr spitzen Winkel auf das Papier und rieb drauflos (so, wie viele von uns in der Kindheit Geldstücke „kopiert“ haben). Das Ergebnis gefiel mir so gut, dass ich das Blatt gleich ausschnitt. Was ich damit anfangen sollte, wusste ich noch nicht. Ich legte es deshalb auf das rosenblattfarbene Papier in die Schachtel mit meinen gesammelten Experimenten. Nun ja, wie Zufall Nr. 6 es wollte, passten die beiden nach meinem Geschmack farblich hervorragend zusammen.
Also holte ich beides wieder aus der Schachtel heraus, klebte das farbige Papier mit Papierkleber auf ein passend zugeschnittenes Stück Pappe und befestigte dann das Efeublatt darauf (ich verwendete dazu kleine Doppelklebepads, die ein wenig Abstand zum Untergrund halten).
Und nun habe ich ein kleines Bild, mit dem ich nach Lust und Laune dekorieren kann. Und wenn es mir nicht mehr gefällt oder dem nächsten Zufallskunstprojekt weichen muss, kommt es ins Altpapier (ohne Klebepads).